Herausforderungen bei der Mehrfachnutzung ergeben sich einerseits aus den Daten selbst. Diese sind für potenzielle Nutzende oft nicht auffindbar, weil gar nicht bekannt ist, dass diese Daten existieren. Oder die Daten sind unzugänglich, beispielsweise, weil es sich um privat gehaltene Applikationsdaten handelt. Dazu kommt, dass Daten aus fremden Quellen oftmals mit den eigenen Systemen inkompatibel sind oder nicht mit den eigenen Daten verknüpft werden können. Andererseits muss die Mehrfachnutzung von Personendaten den datenschutzrechtlichen Vorgaben genügen.

Mögliche Massnahmen zur Verbesserung der Mehrfachnutzung müssen also klare Anforderungen an die Beschaffenheit der Daten stellen. Diese Daten müssen darüber hinaus zugänglich sein und genutzt werden dürfen. Schliesslich können technische und organisatorische Massnahmen dazu beitragen, die Mehrfachnutzung zu erleichtern. 

FAIR-Prinzipien implementieren

Die FAIR-Prinzipien – das englische Akronym für auffindbare, zugängliche, interoperable und mehrfachverwendbare Daten – adressieren genau diese Anforderungen an die Beschaffenheit der Daten. Die Auffindbarkeit von Daten kann verbessert werden, indem Datenflüsse und Datenbestände in öffentlichen Bearbeitungsregistern bzw. auf Metadatenplattformen dokumentiert werden. Dabei werden nur Metadaten publiziert. Die eigentlichen Daten bleiben bei der Dateneignerin respektive dem Dateneigner und können nun, da sie auffindbar sind, dort angefragt werden. Handelt es sich um Sachdaten, können diese auch direkt als «Open Data» publiziert werden. So wird dem verwaltungsinternen Grundsatz «Open by Default» Rechnung getragen.

Um Daten interoperabel und zugänglich zu machen – zwei weitere Anforderungen der FAIR-Prinzipien – sind auf unterschiedlichen Ebenen Standardisierungsmassnahmen notwendig:

  • Organisatorische Ebene: Geschäfts-, Datenbearbeitungs- und Datenaustauschprozesse müssen in Datenaustauschkonzepten vereinheitlicht werden. Damit werden Geschäftsprozesse verschiedener Akteure vereinheitlicht.
  • Semantische Ebene: Ein gemeinsames Vokabular und einheitliche Schemata müssen geschaffen werden. So kommt bei der empfangenden Person dasselbe an, was von der Absenderin beziehungsweise dem Absender gesendet wurde.
  • Technische Ebene: Technische Aspekte des Datenaustausches (z.B. Schnittstellenspezifikationen und Übermittlungsprotokolle) müssen standardisiert werden. Dadurch wird die Zugänglichkeit zu Daten ermöglicht.
  • Rechtliche Ebene: Die rechtlichen Grundlagen für die Datennutzung (Bearbeitung und Austausch) zwischen Verwaltungseinheiten müssen geklärt werden. Damit wird eine ausreichende Rechtsgrundlage für Datenaustausche sichergestellt.

Damit die FAIR-Prinzipien innerhalb der Kantone einheitlich umgesetzt werden, sind gesetzliche Vorgaben analog zum «Bundesgesetz zum Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben» denkbar. Damit solche kantonalen Gesetze im Hinblick auf die Interoperabilität auch den Datenaustausch zwischen den Kantonen vereinheitlichen, sollten die gesetzlichen Vorgaben interkantonal harmonisiert werden.

Datennutzung vereinfachen

Auf rechtlicher Ebene wird nicht nur die Interoperabilität, sondern – insbesondere für Personendaten – auch die Datennutzung geregelt. Im Bildungskontext sind hierbei in der Regel die kantonalen Vorgaben aus den Bildungsgesetzgebungen sowie dem Datenschutz entscheidend. 

Besondere datenschutzrechtliche Herausforderungen stellen sich bei der Sekundärnutzung von Daten – einer Unterform der Mehrfachnutzung, bei der die Bearbeitung von Personendaten für einen anderen als den ursprünglichen Zweck im Vordergrund steht. Mithilfe von Rechtsgutachten oder Pilotprojekten in «Sandbox»-Programmen sollte hier geklärt werden, welchen rechtlichen Spielraum es für die Sekundärnutzung gibt beziehungsweise welche rechtlichen Anpassungen für deren Ermöglichung notwendig sind.

Die Mehrfachnutzung von Personendaten kann aber auch durch Anonymisierung ermöglicht werden (vgl. auch Info-Box). Bildungsverwaltungen sollten vermehrt spezifisch dafür entwickelte Methoden zur Nutzung anbieten. Dienste, wie die Plattform Lomas des BFS, ermöglichen es, Individualdaten Dritten für Auswertungen zur Verfügung zu stellen. Diese Dritten benötigen dabei keinen Zugriff auf die nicht-anonymisierten Daten, erhalten aber die gewünschten Ergebnisse, die keine Rückschlüsse auf die ursprünglichen Individualdaten ermöglichen und somit anonymisiert sind.

Mehrfachnutzung durch nicht personenbezogene Bearbeitung

Datenschutzgesetze kennen oft die «nicht personenbezogene Bearbeitung von Personendaten» für Zwecke wie «Forschung», «Planung» und «Statistik». Dies ermöglicht die Bearbeitung von Personendaten, bei der Ergebnisse nur so veröffentlicht werden, dass keine Personen bestimmbar sind und die Personendaten anonymisiert werden, sobald der Bearbeitungszweck dies erlaubt. 

Datenzugang verbessern

Eine stärkere Mehrfachnutzung von Daten erlaubt dem Bildungssystem auch vermehrt Erkenntnisse für evidenzbasierte Entscheide zu gewinnen und Programmevaluationen durchzuführen. Dazu müssen in der Verwaltung existierende Daten sowie Applikationsdaten aber einfach und auf breiter Basis der Forschung zugänglich gemacht werden.

Bei den Verwaltungsdaten haben die Verwaltungen jedoch einen Ermessensspielraum betreffend der Frage, ob Daten der Forschung zugänglich gemacht werden. Dieser Ermessensspielraum wird je nach Verwaltung unterschiedlich gehandhabt. Um den Datenzugang zu Verwaltungsdaten zu verbessern, sind zwei Massnahmen denkbar:

  • Best-Practice-Beispiele: Für den Datenzugang der Bildungsforschung wird in Best-Practice-Beispielen festgehalten, welche technischen, organisatorischen und datenschutzrechtlichen Fragen im jeweiligen Fall geklärt werden müssen. Koordiniert zugänglich gemacht, können diese Informationen die Verwaltungen bei Datenanfragen administrativ entlasten und den Datenzugang für die Forschung vereinheitlichen.
  • Recht auf Datenzugang: Daten sollen für Forschungszwecke per Gesetz zugänglich gemacht werden. Durch diesen Paradigmenwechsel kann der Datenzugang vom Ermessensspielraum der Verwaltung entkoppelt werden. Neu müsste die Verwaltung eine Einschränkung des Datenzugangs begründen, statt über die Gewährung des Datenzugangs zu entscheiden.

Um auch Applikationsdaten künftig für wissenschaftlich fundierte Wirkungsanalysen zugänglich zu machen, sind rechtliche Abklärungen notwendig. Zu prüfen ist, ob eine Rechtsgrundlage besteht oder geschaffen werden soll, damit die Bekanntgabe und Bearbeitung von Applikationsdaten durch Dritte (z.B. die Bildungsforschung) für Wirkungsanalysen im Rahmen des Bildungsauftrages rechtmässig wäre. Ausserdem müssten Applikationsdaten in standardisierter und maschinenlesbarer Form zugänglich sein, um deren Nutzung praktikabel zu machen.

Sektorspezifische Datenräume als Ort der Mehrfachnutzung

Schliesslich ist die Mehrfachnutzung von Daten eng verknüpft mit den Bestrebungen zur Schaffung von sektorspezifischen Datenräumen. Denn diese dürften künftig das technische und organisatorische Konstrukt zur Mehrfachnutzung von Daten sein. Der dezentrale Ansatz von Datenräumen hat zudem den Vorteil, dass er die föderalen Strukturen des Bildungssystems abzubilden vermag. Will das Bildungssystem die Mehrfachnutzung von Daten systematisch vorantreiben, ist eine Partizipation an den Entwicklungen rund um Datenräume – von «Communities of Practice», über erste Prototypen bis hin zur Schaffung eines Bildungsdatenraums – wichtig.

Dabei entsteht der künftige Bildungsdatenraum nicht top-down, sondern unter anderem durch die oben beschriebene Vereinfachung von Datennutzung und Datenzugang sowie die konsequente Umsetzung der FAIR-Prinzipien. Eine saubere Umsetzung dieser Prinzipien hat dabei auch positive Effekte auf die Qualität und Verfügbarkeit der Daten für die primäre Nutzung und damit auch auf die für die Datenbearbeitung notwendigen Ressourcen (weniger manuelle Datenaustausche und tiefere Datenunterhaltskosten). So gewinnt die Datennutzung im Bildungssystem insgesamt.

 

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