
Die Nutzung digitaler Technologien und Dienste in der Schule und in der Verwaltung schreitet weiter voran (vgl. Abbildung). Damit verbunden gewinnt die Nutzung von Daten, wie auch deren Schutz an Bedeutung. Diese transversalen Dynamiken führen – nebst neuen Möglichkeiten – auch zur Notwendigkeit eines steten Abgleichs zwischen Datennutzung und Datenschutz im Bildungssystem und darüber hinaus. Zudem bringen Digitalisierung und Datennutzung in der Verwaltung eine Vielzahl von Projekten und Diskussionen ins Rollen, die auch für das Bildungssystem relevant sind. Einige der im Rahmen des Berichts «Datennutzungspolitik im Bildungsraum Schweiz» identifizierten Herausforderungen und aktuellen Entwicklungen werden nachfolgend beleuchtet.
Unsicherheiten im Bildungssystem
Die Abwägung zwischen Datenschutz und Datennutzung löst bei einigen Schulen und Bildungsverwaltungen Unsicherheiten aus. Insbesondere die Frage danach, wer die Verantwortung beim Datenschutz trägt, kann situativ schwierig nachvollziehbar sein. So teilen sich beispielsweise beim Einsatz von Diensten (z.B. Applikationen oder digitale Dienstleistungen) im Bildungssystem je nach Konstellation der Kanton, die Gemeinde, die Schule, die Lehrpersonen, die Schülerinnen und Schüler, die Erziehungsberechtigten und der Dienstleistungsanbieter die Verantwortung für den Umgang mit den verwendeten Daten.
Digitale Dienste werden zwar vor dem Einsatz bezüglich ihrer datenschutzrechtlichen Implikationen geprüft. Aber die geteilten Verantwortlichkeiten führen – kombiniert mit heterogen gehandhabten Prozessen und schwer einzuschätzenden Nutzen und Risiken – zu Prüfungsergebnissen, die oftmals von Kanton zu Kanton und Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sind. Hinzu kommt, dass die Applikationsprüfungen selten turnusmässig stattfinden. Ob eine einmal durchgeführte Applikationsprüfung eines aktualisierten Dienstes nach einer bestimmten Zeit noch valide ist, ist schwer abzuschätzen. Die Regelung der Verantwortlichkeiten und die Ausgestaltung der Applikationsprüfung vermögen aktuell die Unsicherheit im Bildungssystem also noch nicht zu beheben und bedürfen einer Weiterentwicklung.
Konsequenzen dieser Unsicherheit sind mitunter, dass der Datenschutz bei der Nutzung von Diensten nicht ausreichend respektiert wird und Datenbeschaffungsprozesse oft langwierig sind. Darüber hinaus wird die Entwicklung und Implementierung neuer Dienste im Bildungssystem gehemmt. Innovative Ansätze finden so selten den Weg in die Praxis. Auch hier braucht es neue Rahmenbedingungen, um das systemische Lernen im Umgang mit innovativen Technologien und Diensten zu ermöglichen.
Entwicklung von Datenkompetenz und Datenkultur
Eine weitere Herausforderung der Datennutzung ist, mit dem hohen Tempo der Veränderung mitzuhalten (vgl. Index zu Humankapital in Abbildung 1). Dies gilt besonders für die Datenkompetenzen aller Beteiligten von Verwaltungsmitarbeitenden über Schulleiterinnen und -leiter sowie Lehrpersonen bis hin zu den Schülerinnen und Schülern und ihren Erziehungsberechtigten. Der Schlüssel um mit den Veränderungen schrittzuhalten lautet Aus- und Weiterbildung.
Mit Blick auf die Datenkompetenz von Lehrpersonen, Schulleiterinnen und -leitern und weiteren Schulverwaltungsangestellten, stellt aber gerade das unkoordinierte Aus- und Weiterbildungsangebot eine Herausforderung dar. Die wenigen bestehenden Weiterbildungsangebote sind nicht aufeinander abgestimmt und beruhen meist auf Freiwilligkeit. Daher kann auch künftig nicht davon ausgegangen werden, dass die notwendigen Kompetenzen auf breiter Basis erworben werden.
Dabei wäre das flächendeckende Vorhandensein von Datenkompetenzen ein Schlüsselfaktor, um eine Datenkultur im Bildungssystem zu verankern. Wenn Möglichkeiten von Datenanalysen bekannt sind, datenbasierte Dienste im Grundsatz verstanden und bewertbar werden, sowie Datenschutz- und Datennutzungsanforderungen definiert werden können, gelingt eine bewusste Datennutzung. Darüber hinaus sind Datenkompetenzen auch zentral für die initiale Beschaffung von Diensten und Technologien, sowie den damit verbundenen Austausch zwischen der Verwaltung oder Schulen und marktorientierten Dienstanbietern.
Schliesslich gehört es zur Kernaufgabe des Bildungssystems, den Schülerinnen und Schülern die notwendigen Datenkompetenzen zu vermitteln. Allerdings existiert aktuell kein systematischer Überblick zu den Datenkompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Damit fehlt auch eine evidenzbasierte Grundlage für die Beurteilung und allfällige Anpassung der in den Lehrplänen integrierten Ziele hinsichtlich Datenkompetenzen.
Verwaltungsinterne Grundsätze zur Datennutzung
Um unter anderem die obenstehenden Herausforderungen anzugehen, hat sich die Verwaltung in den letzten Jahren verschiedene digitale Grundsätze auferlegt. Im Zusammenhang mit der datenschutzkonformen Datennutzung sind insbesondere folgende Grundsätze zu nennen:
- «Digital First»: Beinhaltet, dass staatliche Stellen – wo immer möglich – elektronische Mittel für Interaktionen mit Privaten wählen sollen, wobei die digitale Selbstbestimmung zu wahren ist (vgl. Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben EMBAG).
- «Once-Only-Prinzip»: Bedeutet, dass Daten der Verwaltung nur noch einmalig bekannt gegeben werden müssen und innerhalb der Verwaltung durch gemeinsames Bewirtschaften der Daten für den jeweiligen Zweck verwendet werden (vgl. EMBAG). Voraussetzungen dafür sind einheitliche Definitionen und Standards bei der Datennutzung, sowie die Dokumentation von bestehenden Daten mittels Metadaten.
- «Open by Default»: Der Grundsatz meint, dass Verwaltungseinheiten ihre Daten, die sie zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben beschaffen oder generieren, standardmässig öffentlich zugänglich machen. Ausnahmen davon sind z.B. Personendaten, die dem Datenschutz unterstehen (vgl. Open-Government-Data-Strategie des Bundes).
- «Privacy by Design»: Die Verantwortlichen der Datennutzung sind verpflichtet, die Datenbearbeitung technisch und organisatorisch bereits ab der Planung so auszugestalten, dass der Datenschutz garantiert ist.
- «Privacy by Default»: Bei der Datennutzung sollen die Voreinstellungen (z.B. in einer Applikation) so ausgestaltet sein, dass die Bearbeitung von Personendaten auf das notwendige Mindestmass beschränkt ist.
Während die letzten beiden Grundsätze im Bundesgesetz über den Datenschutz (Art. 7) festgehalten sind, fehlt es bei den restlichen Grundsätzen noch an Verbindlichkeit. Entsprechend werden diese Grundsätze oftmals nur auf dem Papier umgesetzt.
Konkrete sektorübergreifende Entwicklungen
Sektorübergreifend sind aber durchaus handfeste Entwicklungen im Gange, die auch die Datennutzung in der Bildung beeinflussen können. Folgende fünf Entwicklungen auf Bundesebene sind hervorzuheben:
- Sektorspezifische und vertrauenswürdige Datenräume: Datenräume dürften das künftige technische und organisatorische Konstrukt zur Mehrfachnutzung von Daten sein. Der dezentrale Ansatz von Datenräumen hat zudem den Vorteil, dass die föderalen Strukturen des Bildungssystems abgebildet werden können.
- Vertrauensinfrastruktur für digitale Nachweise: Die geplante Vertrauensinfrastruktur im Zusammenhang mit der elektronischen Identität (e-ID) ist so konzipiert, dass sie auch für die Nutzung von digitalen Nachweisen ausgerichtet ist. Digitale Nachweise können die Datennutzung verbessern, indem sie Informationen, die verifizierbar sein müssen (z.B. Bildungsabschlüsse), digital abbilden können.
- Schweizweites Behörden-Login: Der Bund bietet mit dem «Authentifizierungsdienst der Schweizer Behörden (AGOV)» seit kurzem eine Möglichkeit für digitale Identitäten auf allen Staatsebenen an. Digitale Identitäten sind für die Datennutzung zentral, da sie es ermöglichen, Individuen im digitalen Raum einwandfrei zu identifizieren. Das Bildungssystem muss klären, inwiefern AGOV als digitale Identität für das Bildungssystem geeignet ist bzw. ob bestehende Identitätslösungen oder föderierte Identitäten (z.B. über Edulog) daran anschliessbar sind.
- Rechtliche Grundlagen für die Sekundärnutzung von Daten: Auf Bundesebene laufen Arbeiten zu rechtlichen Grundlagen der Sekundärnutzung von Daten. Es gilt genau zu verfolgen, inwiefern die Sekundärnutzung, die im Bildungssystem vor allem im Zusammenhang mit der Bekanntgabe bestehender Daten an Dritte vorkommen dürfte, künftig ausgestaltet werden könnte.
- KI-Regulierung: Für Ende 2026 hat der Bundesrat gesetzliche sowie nicht verbindliche Massnahmen bezüglich Künstlicher Intelligenz (KI) in den Bereichen «Transparenz», «Datenschutz», «Nichtdiskriminierung» und «Aufsicht» angekündigt. Diese Massnahmen sollen die KI-Konvention des Europarates, die die Schweiz ratifizieren will, umsetzen. Die Entwicklungen dürften sich auch in der Bildung auf die Nutzung von KI und damit auf die Datennutzung auswirken.
In den Kantonen Genf und Neuenburg wurden kürzlich Vorstösse, die das Recht auf digitale Unversehrtheit in den Kantonsverfassungen verankern sollen, mit grossen Mehrheiten angenommen. Ähnliche Vorstösse werden in den Kantonen Jura, Waadt, Freiburg, Basel-Stadt und Zürich diskutiert.
Ähnliche Entwicklungen finden in unterschiedlichen Ausprägungen auch auf kantonaler Ebene statt. Gleichzeitig sind dort in der politischen Diskussion kritische Stimmen bezüglich Datennutzung zu vernehmen (vgl. Info-Box). Diese kritischen Stimmen verdeutlichen, dass die Herausforderungen im Spannungsfeld von Datenschutz und Datennutzung weiterhin bestehen und auch künftig Teil des gesellschaftlichen und politischen Diskurses bleiben werden. Wir haben diesbezüglich für den Bildungsraum Schweiz eine Reihe von Massnahmen formuliert, die helfen sollen, mit diesen Herausforderungen umzugehen und an die aktuellen Entwicklungen anschlussfähig zu bleiben.
Weiterführende Links
- Bundeskanzlei. (2024). Schweizweites Behörden-Login nimmt den Betrieb mit Pilotkantonen auf.
- Bundeskanzlei. (2025). Vision und Ziele Datenökosystem Schweiz.
- Bundesrat. (2025). KI-Regulierung: Bundesrat will Konvention des Europarats ratifizieren.
- Digitale Verwaltung Schweiz. (2023). Digitale Verwaltung Schweiz 2024-2027.