Vor gut einem Monat wollten wir wissen, wie Familien die neue Situation des Fernlernen erlebten, was sie daran schätzten und was sie sich in Zukunft von der Schule wünschten. Die Befragung wurde durchgeführt von Zukunftbureau.org/fernlernenin Zusammenarbeit mit der Initiative Schulwandel.ch, welche zum Ziel hat, in Schulen Räume zu schaffen, die Kinder auf die Herausforderungen einer digital vernetzten Welt vorbereiten. Rund 65 Familien aus 15 Kantonen haben innerhalb weniger Wochen die Befragung ausgefüllt und uns interessante Einblicke gewährt. Ohne den Anspruch, repräsentative Forschung zu betreiben, möchten wir unsere Erkenntnisse daraus hier teilen. Vom allgemeinen Stresslevel innerhalb der Familien, über die digitalen Voraussetzungen zu Hause vorbei an Tools, die besonders geschätzt wurden hin zu einem Blick in die Zukunft, wurde alles abgedeckt. Die Resultate können hiereingesehen werden.

Dabei gaben ~60% der Familien an, dass sie derzeit einen erhöhten Stresslevel im Familiensystem hätten (>5/10), der sich erwartungsgemäss dann auch etwas erhöhen würde. Oft wurde erwähnt, dass die neue Situation auch ihre Vorteile habe. So werde beispielsweise die geschenkte Zeit miteinander sehr geschätzt und der vertiefte Einblick in den Alltag der Kinder. Man würde als Familie mehr zusammenwachsen auch und insbesondere wegen der vielen Unsicherheiten, die man gemeinsam bewältigen müsse. Viele der Befragten hatten derzeit weniger Arbeit, einige auch mehr und die Angst vor Jobverlust wurde mehrfach benannt.

Wir fragten die Familien auch zu deren technischen Infrastruktur ab und bemerkten, dass selbst beim digital-affinen Publikum, welches sich dieser Befragung auf LinkedIn gewidmet hatte, oft die Anzahl Geräte schlicht zu knapp war, um die Bedürfnisse aller Kinder zu decken. «Unsere Kinder haben keine Schwierigkeiten im Umgang mit den unterschiedlichen Tools. Schwierig ist vielmehr die Haltung der Schule gegenüber den Eltern, von denen diese unabgesprochen erwartet, dass die für den Betrieb der neuen Lehr- und Lernformen nötige Infrastruktur a) vorhanden ist und b) für ihre Zwecke uneingeschränkt zur Verfügung gestellt werden kann», teilte uns ein Elternteil im Formular mit. Und jemand wünschte sich explizit die «Unterstützung derjenigen Familien, die weniger digitale Möglichkeiten haben, damit alle die gleichen Chancen und Voraussetzungen haben».

Diesem Thema nimmt sich auch Tobias Schär von der Initiative Wir lernen weiter an, indem er digital ausgegrenzten Familien kostenlos Geräte zur Verfügung stellt. Diese können sich auf der Webseite für ein Gerät bewerben und auch Schulen haben die Möglichkeit, Laptops zu beantragen für Familien. Tobias Schär stellte für fünf Familien an unserer Schule hervorragende Geräte zur Verfügung und erklärte mir im Interview, dass es sein grösstes Problem sei, die Familien überhaupt zu erreichen. Dies als Appell an Schulleitungen und Klassenlehrpersonen, die sich oftmals viel bewusster sind, bei wem der Schuh drückt.

Flexibilität, Empowerment, Zukunftsfreude, Kreativität

Während 30% der Befragten sich tägliche Aufgaben und eine klare Wochenstruktur der Schule wünschten, gaben 50% an, dass flexible Aufgabenstellungen und Projektarbeit gewünscht wäre und ~20% stellten sich freies Spiel und gar keine Schule als zielführend vor. Zahlreiche Familien wünschten sich sodann «Viel, sehr viel Veränderung» von der Schule und dass «die digitalen Möglichkeiten/des Fernunterrichts auch in Zukunft genutzt würden».

Durch die Schuleröffnungen am 11. Mai sind jedoch in einigen Schulen die Nutzung digitaler Möglichkeiten regelrecht zusammengebrochen. Man kehrt zurück zum Status Quo und schätzt die Ruhe im Halbklassenunterricht. Im Lehrerzimmer sind stapelweise identische Broschüren zu erblicken, die gewohntermassen serienmässig korrigiert werden. Dabei waren ~50% der Befragten sehr zufrieden mit der Toollandschaft ihrer Schule (>8/10) und schätzten insbesondere, dass ihre Kinder nun im eigenen Tempo diejenigen Aufgaben angehen durften, die sie als zielführend erachteten. Eine Mutter meinte dazu: «Ich bin enorm froh, dass der Schulstoff nicht obligatorisch ist, sondern nur ein Angebot. Das entlastet mich als Mutter sehr.»

«Nach dem Prinzip des forschenden Lernens interessieren sich die Kinder für ein bestimmtes Thema und fangen selbstständig an zu recherchieren. Sie lernen viel via Videos und durch das das selbstständige Ausprobieren. Dafür steht im Prinzip das ganze Internet zur Verfügung.», die Aussage dieses Elternteils stellt das spielerische, forschende Lernen in den Vordergrund. Will man dies fördern, muss man als Lehrperson loslassen und begleiten. Entsprechend wurde auch das Vorgehen derjenigen Lehrpersonen sehr geschätzt, die in der Fernlernzeit bereit waren, ihren Anspruch auf Kontrolle abzulegen. Doch selbst in unserer Befragung gab es Personen, die sagen: «Es passt wie's ist.» – Deswegen ist es auch schwierig, Veränderung herbeizuführen, selbst wenn die Wirtschaft in der Bestrebung agile Strukturen zu etablieren nach Mitarbeitenden ruft, die kritisch denken, empathisch kommunizieren, bestehendes hinterfragen und sich selbst organisieren können. Alles Qualitäten, die unter linearer Fremdbestimmung leiden.

Entsprechend ist es unglaublich zentral abzubilden, wer sich bewusst ist, dass es Veränderung braucht und dann für diese Menschen Räume an der Volksschule zu schaffen, in denen eine Kultur der Digitalität gelebt wird. Dazu haben wir unsere Initiative Schulwandel.ch begründet. Hier können sich Menschen eintragen, die den Wandel hin zu zukunftsfähigem Lernen wünschen. Unser Ziel ist es, diese fortschrittlich denkenden Menschen miteinander zu vernetzen, um Schulen im Wandel zu unterstützen und auch zeitnah Schulklassen zu ermöglichen, die intrinsisch lernen. So entschärfen wir das Konfliktpotenzial zwischen Lehrerinnen, Lehrern und der polarisierenden Elternschaft und ermöglichen Schulen, organisch zu wachsen. Und dies integrierend in unserer Gesellschaft.

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