Wo stehen wir nach der blitzartigen Umstellung auf Fernunterricht im Frühling, dem schwierigen Gang durch die Prüfungen im Frühsommer, dem Start ins neue Schuljahr unter völlig neuen Vorzeichen? Unsere Fachtagung Digitalisierung und Bildung am 5. November bot Raum und Zeit für erste Antworten und einen Zwischenstand. Ein Beispiel zum Stand der digitalen Transformation in Kanton Bern mit Christian Dietz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Schulinformatik an der PHBern.

Digitale Transformation in der Bildung: Wie weit ist Ihr Kanton fortgeschritten?

Antwort: Dazu müssen wir wohl zwischen technischer Ausstattung und pädagogischer Anpassung bezüglich der Digitalität unterscheiden. Im Kanton Bern liegen dazu keine verlässlichen Daten vor. Wir können aber unsere Einschätzung aus unseren Beratungstätigkeiten in den Volksschulen wiedergeben:

  1. Ausstattung der Schulen: Gemäss unserer Schätzung hat sicher ein Drittel der Volksschulen in die technische Ausstattung investiert. Wir wissen von rund einem Viertel der Schulen, die jetzt technisch auf einem Stand sind, mit dem eine sinnvolle und effiziente Nutzung des Internets für Lernen und Lehren möglich ist.
  2. Pädagogische Anpassungen: Der Blick in die Schulen, das Gespräch mit Schulbehörden zeigt, dass sich die Volksschule im Kanton Bern nur zögerlich den Herausforderungen der digitalen Transformation öffnet. Es gibt einzelne Lehrpersonen, die sich ganz bewusst daran machen, ihren Unterricht an die Digitalität anzupassen. Die Unterrichtsentwicklung wird gemäss unserer Einschätzung erschwert, weil die Beschaffung von Infrastruktur den Diskurs über Unterrichtsentwicklung immer noch stark behindert.

Welche Auswirkungen hat der Fernunterricht aus Ihrer Sicht gehabt?

Der Sprung ins kalte Wasser hatte auch viele gute Seiten. Ängste bezüglich technischen Herangehensweisen haben sich teilweise aufgelöst. Mittlerweile nehme ich aber eine wieder aufflammende «Pädagogik vor Technik»-Diskussion war, welche oftmals einem Verhinderungsdiskurs gleichkommt. Pädagogik und Didaktik des Präsenz-Unterrichts kann nicht gänzlich in einen Hybrid- oder Fernunterricht überführt werden. Es bedarf neuer – aus der Reformpädagogik schon lange bekannter – Formen. Asynchrones Lernen, offene Projektarbeit, Peerfeedbacks, einfache Technik, Vertrauen und Freiheit liessen sich gut mit Hybrid- und Fernunterricht vereinbaren. Hier gibt es also noch viel zu tun.

«  Der Sprung ins kalte Wasser hatte auch viele gute Seiten.  »

Christian Dietz

Und schliesslich – gemäss dem Titel der Fachtagung – worauf kommt es jetzt an?

Die Entwicklungen im Bereich des Datenschutzes sind genau zu verfolgen! Die Schulen könnten es sich gar nicht leisten, auf die Cloud-Infrastrukturen von Google oder Microsoft zu verzichten. Es braucht vernünftige und lebbare Umgangsformen mit diesen. Was nicht heissen will, dass alle Personendaten in die Cloud gehören!

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