Details

Datum
Ort
Kongresszentrum Bernexpo
Mingerstrasse 6
3014 Bern
Sprache
Deutsch, Französisch

«Der Begriff Blockchains lässt eher an die Finanzwelt denken als an den Bildungsbereich. Dabei birgt diese Technologie grosses Innovationspotential für den Bildungssektor.» Mit diesen Worten setzte Toni Ritz, Direktor von Educa, gleich zu Beginn den Rahmen der Fachtagung Educa23. Er unterstrich die Ziele der Veranstaltung, an der  teilnahmen: «Verstehen, Potential identifizieren, kritische Fragen stellen und sich austauschen». Mehr als 100 Personen nahmen am 21. Juni 2023 an der Educa23 mit Vertreterinnen und Vertreter aus der Bildungspraxis, Forschung, Wirtschaft und Verwaltung in Bern teil.

Toni Ritz

Einführung in die Nutzung der Blockchain im Bildungsbereich

Aus technischer Sicht handelt es sich bei Blockchain-Technologien um eine Datenbank, die durch (weltweite) Nutzerinnen und Nutzer synchronisiert wird, so der Dozent Dr. habil. Jean-Marc Seigneur der Universität Genf. Der Eröffnungsredner führte in die Blockchain ein und erläuterte, dass es sich um eine dezentrale Vertrauensinfrastruktur handelt. Das Vertrauen basiert auf einer grossen Gemeinschaft, die die Ressourcen für das durch mathematische Methoden gesicherte System bereitstellt und dafür vergütet wird. Blockchain ermöglicht, direkte Datenaustausche zwischen zwei Akteuren ohne Drittpersonen. Im Zentrum stehen die Nutzerinnen und Nutzer, die selbstbestimmt über ihre Daten verfügen können.

Tokens und Smart Contracts: Einsatzmöglichkeiten

Professor Dr. Tim Weingärtner der Hochschule Luzern zeigte anhand von Beispielen, die Funktionsweise von Blockchains, Tokens, Smart Contracts sowie Decentralized Autonomous Organisations. Welche Informationen befinden sich in der digitalen Welt, welche in der realen Welt? Wie werden diese ausgetauscht und verifiziert? Blockchain-Technologien zeichnen sich durch Vertrauen, Einzigartigkeit, Unveränderbarkeit und Transparenz aus. Zudem werden Daten pseudonymisiert abgelegt. Auch können viele Transaktionen und Prozesse programmiert und automatisiert werden. Eine Vielzahl an möglichen Anwendungen gibt es. Diese reichen von der Verwaltung der Studiengebühren, zum Einreichen von Aufgaben, zu Zertifikaten und Diplomen, zu der Anerkennung von informellem Lernen bis zur Förderung der partizipativen Entscheidfindung. Die Technologie birgt Chancen für ein inklusiveres und demokratischeres Bildungssystem, so Tim Weingärtner.

Chancen und Risiken von Blockchains in der Bildung

Alan Moran, Geschäftsleitungsmitglied und Systemarchitekt bei Educa, sah die Chancen von Blockchain-Technologien im Bildungsbereich bei der Verifizierung von Daten, bei der Anschlussfähigkeit sowie für neue Governance-Modelle, die es in einer immer stärker vernetzteren Welt braucht. Risiken liegen in der benötigten (internationalen) Interoperabilität sowie in umzusetzenden Sicherheitsmassnahmen. Insbesondere wichtig ist es, Nutzerinnen und Nutzer diesbezüglich zu sensibilisieren.

Educa23

Blockchains aus Sicht der Ethik

Nicht fehlen dürfen im Zusammenhang mit Blockchain-Technologien ethische Betrachtungsweisen. Welche Normen und Werte vertritt das Bildungssystem? Wo ist hier eine Blockchain nützlich? Dr. Dorothea Baur, Ethik-Beraterin, wies insbesondere auf die Unveränderlichkeit der Daten hin. Was auf der Blockchain steht, gilt für immer. Somit muss alles, was auf der Blockchain steht, wahr sein. Hier besteht ein Dilemma, denn, was wahr ist, ist nicht immer richtig. Auch lancierte sie die Diskussion mit der Aussage: «Blockchain stellt in ihrer Reinform die Wünschbarkeit nach Vertrauen in Frage». Als Ethikerin vertrat sie ein kritisches, eigenverantwortliches Menschenbild, das auf Vertrauen basiert. Dieses würde nun an eine Technologie übertragen. Ist dies richtig oder sollte man doch eher auf die menschliche Interaktion vertrauen?

Rechtliche Aspekte bei Blockchain-Anwendungen

Aus rechtlicher Sicht bergen Blockchains Risiken im Bereich des Datenschutzes, so RA lic. iur. Nicole Beranek Zanon, Exec. MBA HSG. Kann ein Personenbezug hergestellt und bestimmt werden, um wen es sich handelt, so liegt ein Datenschutzrisiko vor. Des Weiteren liegt eine Herausforderung der Technologie darin, dass kein Recht auf Vergessen besteht, da die Daten nicht gelöscht oder berichtigt werden können oder eben unveränderlich sind. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Klärung von Verantwortlichkeiten. Als Lösung sah die Rechtsanwältin die Schaffung neuer gesetzlicher Grundlagen. Insbesondere auch, da es sich im Bildungssystem oft um Minderjährige handelt. Die Potentiale in der Bildung sind gemäss ihr mannigfaltig: eine erhöhte Fälschungssicherheit, ein Mechanismus, der Studierende zu Prüfungen und Kursen zulässt oder auch bei Prozessen, die stark standardisiert sind.

E-ID und Vertrauensinfrastruktur für digitale Nachweise

Abgerundet wurde die Fachtagung durch ein Referat von Christian Heimann. Als Fachspezialist E-ID beim Bundesamt für Polizei (fedpol) stellte er die staatliche E-ID vor, die einen Grundstein für zukünftige Digitalisierungsaktivitäten in der Schweiz legen wird. Sie basiert auf einer dezentralen Vertrauensinfrastruktur. Diese Infrastruktur ermöglicht, unterschiedliche elektronische Nachweise zu erstellen und zu verwalten und so deren Verbreitung und Verwendung zu fördern.  Private und öffentliche Akteure werden in diesem Ökosystem als Ausstellerinnen und als Verifikatorinnen agieren können.

Ateliers zu konkreten Anwendungen in der Bildung

Mehrere praktische Ateliers ergänzten die Referate. Fachpersonen von Switch, des UZH Blockchain Centers der Universität Zürich, gemeinsam mit der Procivis AG, sowie von Educa leiteten die Ateliers, die sich mit konkreten Anwendungen in der Bildung befassten. So wurde beispielsweise der Erhalt eines digitalen Nachweises auf analoge Weise erklärt. Die Ateliers boten auch Gelegenheit, den Übergang vom Universitätsdiplom zum lebenslangen, selbstverwalteten Diplom vertieft zu diskutieren.

Digitale Nachweise

Unterschiedliche Blockchain-Typen für unterschiedliche Zwecke

Abschliessend lässt sich festhalten, dass Blockchain-Technologien weder gut noch schlecht sind, sondern was wir daraus machen, ist wertebasiert. Je nach Zweck, gibt es unterschiedliche Typen von Blockchains. Beispielweise sind aus der Finanzwelt heute eher Blockchains bekannt, deren Daten öffentlich zugänglich sind und auf die uneingeschränkt geschrieben werden kann. Es gibt jedoch auch Blockchains, deren Daten öffentlich zugänglich gemacht, die Schreibrechte jedoch zugangsbeschränkt werden. Diese Rechte könnte man zum Beispiel nur an ausstellende Institutionen vergeben, wie an Universitäten, Verwaltungen oder Schulen. Hierzu sind Kompetenzaufbau wie auch Dialog zwischen den Akteuren im Bildungsraum Schweiz notwendig. Aus der Educa23 ging hervor, dass Blockchain-Technologien, oder auch Teile davon, in Zukunft umgesetzt werden. Es ist am Bildungsraum die entsprechenden Normen zu setzen.

Highlights der Fachtagung

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Educa23 bleibt über diesen Tag hinaus bestehen. Eine Videoserie wie auch ein Educa Dossier zum Thema Blockchains in der Bildung sind auf der Educa-Website verfügbar.