Sie sind der Managing Director des Swiss EdTech Collider. Können Sie diesen kurz vorstellen?

Roman Bruegger: Beim Swiss EdTech Collider handelt es sich um die schweizweit einzige Organisation mit einem Fokus auf EdTech und um einen Hub für Start-ups, die Bildung und Lernen durch neue Technologien und Innovationen verändern und verbessern wollen. Er wurde im April 2017 gegründet und ist Teil des EPFL LEARN Center for Learning Sciences sowie BeLEARN und hat Standorte an der EPFL Lausanne sowie in Bern.

Ziel und Zweck des Swiss EdTech Collider ist es einerseits die Visibilität der EdTech-Start-ups zu erhöhen sowie diese in ihrem Wachstum zu unterstützen und andererseits einen «EdTech-Markt» zu kreieren, wo sich Anbieter und Nachfrager nach EdTech-Innovationen in einem einzigartige Ökosystem im Bildungswesen – bestehend aus Investoren, Schulen, Lehrpersonen, Lernwissenschaften, Organisationen in Bildung, Privatwirtschaft und Politik – treffen können.

Dieses Jahr feiert der Swiss EdTech Collider sein fünfjähriges Jubiläum. Welches sind Ihre persönlichen Erkenntnisse und Erfolgsgeschichten?

Da gibt es einige. Einerseits ist es die Erfolgsgeschichte des Swiss EdTech Colliders selber: als kleine Initiative mit 30 EdTech-Start-ups gegründet, hat sich der Swiss EdTech Collider in den letzten Jahren zu einem wichtigen und prägenden Hub in der Bildungslandschaft Schweiz manifestiert und beheimatet unterdessen über 90 individuelle EdTech Start-ups. Nennenswert ist auch die Anerkennung als offizieller DiH Digital Innovation Hub in EdTech in Europa durch die Europäischen Kommission im Mai 2020 sowie die Aufnahme als Mitglied durch die EETN European EdTech Network sowie auch der European EdTech Alliance EEA – das sind ebenfalls schöne Meilensteine, die die Wichtigkeit des Swiss EdTech Colliders unterstreichen.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch individuelle Erfolgsgeschichten der Start-ups selber. Einige Highlights:

  • Labster, ein globaler VR-Spezialist, der unterdessen über 150 Millionen Franken an Fundraising erhalten und ein Team von über 350 passionierten Mitarbeitenden hat.
  • Coorpacademy, das «Netflix für Corporate Learning und Training», die kürzlich durch Go1 – ein australisches EdTech Unicorn – übernommen wurden.
  • Die gemeinnützige Organisation Mobsya, die bis heute über 90'000 ihres Lern-Roboters «Thymio» verkauft haben.
  • Dynamilis, ein EPFL Spin-off, das mit ihrem wissenschaftlich entwickelten Tool Schreibschwächen rasch und detailliert erkennt und personalisierte und eigens entwickelte Trainingsprogramme anbietet.

Welchen Herausforderungen begegnen die Start-ups im Schweizer Bildungsraum gemäss Ihrer Erfahrung?

Die Herausforderungen liegen vor allem auf der Einsatz- resp. Anwendungsseite von EdTech, wo ein flächendeckender Durchbruch nicht so trivial ist wie in anderen Ländern oder Märkten. Dies hängt vor allem mit der Komplexität des Schweizer Bildungsraums zusammen: es gibt vier verschiedene Sprachen, mehrere Lehrpläne, ein komplexes, politisch und föderalistisches geprägtes Bildungssystem.

Wir haben die Möglichkeit die Start-ups beim Austausch mit Schulen, Unternehmen, Investoren, wissenschaftlichen und EdTech-Netzwerken zu unterstützen. Wo wir aber nicht über Nacht Änderungen erwirken können ist im politisch verwurzelten und verankerten Bildungssystem. Die regulatorischen Prozesse in der Schweiz– insbesondere für das öffentliche Bildungswesen – sind für die Start-ups-Szene auch nicht unbedingt innovationsfreudig: so müssen beispielsweise die EdTech-Innovationen in jedem einzelnen Kanton durch die entsprechenden Behörden bewertet und akzeptiert werden. Wie man sich vorstellen kann, dauert das bei 26 Kantonen eine Ewigkeit. Selbstverständlich vertreten wir absolut die Meinung, dass Datennutzung und Datensicherheit immens wichtige und zentrale Komponenten in der Anwendung von EdTech sind, die alle Start-ups einhalten müssen. Auf der anderen Seite kann es nicht sein, dass regulatorische Gegebenheiten für innovative Start-ups unnötig hohe Hürden darstellen und dazu führen, dass diese Innovationen so «im Keim erstickt» werden.

«  Eine Datennutzungspolitik im Bildungsraum kann mithelfen Klarheiten zu schaffen.  »

Was erwarten Sie von einer Datennutzungspolitik im Bildungsraum Schweiz?

Wie bereits erwähnt, ist es wichtig, dass der Datenschutz oberste Priorität hat – daran gibt es keine Zweifel. Allerdings würden wir uns wünschen, dass ein zielgerichteter, pragmatischer Lösungsansatz zur Bewertung und zum Einsatz von Bildungstechnologien eingesetzt wird. Das würde sicherlich die Adoptionsrate und Einsatz von Technologien erleichtern und somit auch mithelfen, die digitale Transformation mit sinnvollen Bildungstechnologien zu unterstützen. In diesem Bereich kann eine Datennutzungspolitik im Bildungsraum sicherlich mithelfen, Klarheiten zu schaffen und eine einheitliche Anwendung auf Schweizer Ebene begünstigen.

Gesprächspartner

Portrait Roman Bruegger
Roman Bruegger
Managing Director
Swiss EdTech Collider

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